Jenny Elvers gewinnt "sinnfreie Promi-Qual-Show"
Nach der Dauerbeobachtung verließ Jenny
Elvers-Elbertzhagen als Siegerin das "Big Brother"-Haus. Für das Format
hagelte es Kritik. Komiker Oliver Kalkofe ätzte: "undurchdachtes Promi
Big Bullshit". Von Antje Hildebrandt
Eine ehemalige
Heidekönigin, die den Container als Miss "Ach, was weiß ich" verließ.
Ein Hund, der endlich wieder Hund sein durfte. Und Fernsehzuschauer, die
sich nach fünfzehn Tagen halb erleichtert, halb entsetzt fragten:
Worüber sollen wir jetzt lästern?
Das ist die
nüchterne Bilanz nach vierzehn Tagen "Promi Big Brother". Selten wurde
einer Sache so entgegengefiebert wie dem Ende von "Promi Big Brother"
(Sat.1). Die schlampige Kopie der Reality-Show "Dschungelcamp" hangelte
sich am Ende zwar wieder aus dem Quotenkeller – dank der beiden
stärksten Waffen der neuen Teilzeitbewohnerin Pamela Anderson.
Sie trug dem
Sender Sat.1 aber nur Hohn und Spott ein. "Promi Big Bullshit wird uns
wohl auf ewig in Erinnerung bleiben als am undurchdachtesten, sinnfrei
in den Äther gegöbelte Promi-Qual-Show aller Zeiten", ätzte der
TV-Kritiker Oliver Kalkofe. War es wirklich so schlimm? Ein Rückblick.
Schmerzensgeld für Komparsen
Warum sollte man
sich diese Container-Soap auch dann mal angeschaut haben, wenn man
nicht gerade zufällig für eine Doktorarbeit über verbale Insuffizienz
recherchiert?
Warum sollte man
sich das antun? Bewohner, die kaum einer kennt, sinnfreie Spiele wie
"Fang das Ei" oder "Dusch dir den Wolf" und zwei Moderatoren im
Pointenstreik. So etwas schaltet nur ein, wer keine bessere Alternative
zu den Spots mit dem chronisch schlecht gelaunten Brot Bernd in der
Nachtschleife auf dem Kinderkanal findet oder wem der Gerichtsvollzieher
im Nacken sitzt.
Sechs Euro pro
Stunde zahlte eine Komparsenagentur Zuschauerdarstellern. Dafür, dass
sie sich vor dem Container in Berlin-Adlershof die Beine in den Bauch
standen und jeden noch so schalen Witz von Moderator "Prolli-Ocher"
(Kalkofe) so frenetisch jubelnd quittierten, als gäbe es achtzehn
Prozent auf alles (bis auf Tiernahrung).
Man fragte sich,
wo die Gewerkschaft blieb, wenn man sie am dringendsten brauchte. Sechs
Euro, das entsprach nicht mal dem gesetzlichen Stundenlohn. Es war eher
eine Art Schmerzensgeld.
Ist auf
Fremdscham kein Verlass mehr? Doch, natürlich. Das ganze Reality-TV
setzt auf dieses Prinzip. Sonst hätte das RTL-"Dschungelcamp" seinen
eigenen Quotenrekord nicht von Staffel zu Staffel gesteigert.
Doch solche
Formate funktionieren nur, wenn der Sender Bilder auswählt, mit denen
sich Geschichten erzählen lassen. Dramolette. Tragödien. Schurkenstücke.
Momentaufnahmen von Bewohnern, die mit offenem Mund schnarchen, sich
den Sack kraulen oder Promille-umnebelt auf High Heels über einen
imaginären Laufsteg staksen, passen besser zu "Upps! – Die Pannenshow".
Take that, Sat.1!
Pamela Anderson machte Quote
Aber warum ist
die Quote dann auf wundersame Weise über den Senderschnitt gestiegen,
als Pamela Anderson als Teilzeitbewohnerin in den Container zog?
Gute Frage. Als
die Badenixe in den 90er-Jahren in der US-Serie "Baywatch" halb
ertrunkene Badegäste widerbelebte, hatten die jüngsten Zuschauer noch
nicht einmal das Stadium einer Keimzelle erreicht. Am
Wiedererkennungseffekt hat es also nicht gelegen. Eher aus Versehen hat
die fleischgewordene Barbie Sat.1 von der Aufgabe entbunden, ihr eine
Rolle auf den Leib schneiden zu müssen.
Pam blieb ein
Fremdkörper im "Freudenhaus" (Sat.1). Ein Wunderwerk der
Schönheitschirurgie, das dafür bezahlt wurde, dass es sich lasziv auf
einer Rattancouch rekelte.
Mit der
46-jährigen Kalifornierin zog der Sex-Appeal und das stille Entsetzen
über diese Ansammlung von Profilneurotikern in den Container. Was das
46-jährige Pin-up-Girl wohl in den USA über ihre Mitbewohner erzählt?
Immerhin, außer
einer Handvoll Dollar hat sie einige Brocken Deutsch eingesackt. Die
wichtigste Lektion hat ihr Martin Semmelrogge eingetrichtert, der
chronisch beschwipste "Semmelknödeldüdel": "Opium bringt Opi um."
Jenny gewinnt "Promi Big Brother"
Und wer musste
die scheußliche Big-Brother-Trophäe mit nach Hause schleppen? Als
Siegerin verließ Jenny Elvers-Elbertzhagen den Container. Die
Heidekönigin von 1990, die sich zuletzt durch ein gelalltes TV-Interview
und einen öffentlich zelebrierten Alkoholentzug zurück in die
Schlagzeilen katapultiert hatte.
Wenn sie im
Container auffiel, dann dadurch, dass sie so unauffällig war. Eine
Märtyrerin mit versteinerter Miene. Warum gerade sie sich im
Blondinen-Finale gegen Marijke "Miss Ellie" Amado und eine Zicke
durchgesetzt hat, deren Namen wir leider schon wieder vergessen haben?
Fragen Sie
Sat.1. Der Sender wird wissen, warum er das Wahlverfahren auf den Kopf
stellte. Anders als im "Dschungelcamp" wurden die Kandidaten abgewählt.
Ein Prinzip, das unbedingt auch bei der nächsten Bundestagswahl erprobt
werden sollte: Es gewinnt der, der am wenigsten nervt.
Sympathieträger war ein Hund
Gab es denn gar
keine Sympathieträger im Container? Doch, Gewinner der Herzen war ein
Hund. Jottem, der vierbeinige Liebling von Marijke Amado. Als sein
Frauchen im Finale mit Kreislaufkollaps auf dem Laufband zusammensackte,
da zeigte dieser lebende Flokati etwas, was man in diesem Container
noch gar nicht kannte: Mitgefühl.
Wer oder was
nervte am meisten? An erster Stelle: Oliver Pocher und Cindy aus
Marzahn, ein Paar wie Dick & Doof. Sie überließen den Insassen nicht
die Bühne, wie es sich für professionelle Moderatoren gehört.
Sie versuchten,
den Kandidaten die Show zu stehlen. Und das ging schief. Denn außer
grellem Make-up, glitzernden Ganzkörper-Gardinen und schalen Witzen auf
Kosten der Insassen hatten die beiden nichts zu bieten. Gruseliger als
Pochers Semmelrogge-Parodie war nur noch die seelenlose
Darth-Vader-Stimme des Big Brother. Aber den sah man wenigstens nicht.
"Schlotzen" ist Lieblingswort der Bewohner
Konnte man auch
etwas lernen? Ja, wie haue ich vorzeitig in den Sack und verkaufe das
als Heldentat? US-Schauspieler Davids Hasselhoff schob seinen alten und
einsamen Daddy in L.A. vor. Eine gewisse Sarah-Joelle probierte es mit
einem kranken Opi. Rechtzeitig zum Finale war die Verwandtschaft dann
übrigens auf wundersame Weise wieder gesundet. Sachen gibt's.
Und was war
nochmal "Schlotze"? Das Lieblingswort der Insassen. Ein Synonym für
Rotz, aber viel klangvoller. Oder gibt es ein Wort, das das Elend dieser
unmotiviertesten Gurkentruppe nach der FDP präziser beschreibt als
dieses eine Verb. Konjugieren Sie mit: Ich schlotze. Du schlotzt.
Er/sie/es schlotzt. Wir schlotzen. Ihr schlotzt. Sie schlotzen. Und
jetzt bitte im Präteritum.
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